Siebenschläfer - Gedichte




Siebenschläfer - Gedichte

Beitragvon widder49 » Fr 12. Jun 2015, 18:17

Dehmel, Paula (1862-1918)

Siebenschläfer

Ihr Siebenschläfer in den Höhlen,
Reckt euch, streckt euch, aufgewacht!
Der Frühling leuchtet in den Himmel
Nach dieser ersten warmen Nacht!

Ja, schüttelt nur die dicken Zotteln
Und blinzelt in das blaue Licht;
Herr Gott, wer wird so langsam trotteln,
Ich lauf voraus, ich warte nicht.

Die Amsel übt schon ihre Lieder,
Ich sing sie mit, ich kann sie auch;
Und denkt euch nur, der blaue Flieder
Hat Knospen, und der Haselstrauch.

Der Teckel bellt vor lauter Wonne
Und wühlt die frische Erde um;
Na?! seid ihr noch nicht in der Sonne,
Ihr Siebenschläfer, faul und dumm?!
Wenn ich alt bin, werde ich nur nörgeln. Das wird lustig!
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widder49
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Re: Siebenschläfer - Gedichte

Beitragvon widder49 » Sa 13. Jun 2015, 11:14

Siebenschläfer

Sechs Begünstigte des Hofes
Fliehen vor des Kaisers Grimme,
Der als Gott sich läßt verehren,
Doch als Gott sich nicht bewähret;
Denn ihn hindert eine Fliege,
Guter Bissen sich zu freuen.
Seine Diener scheuchen wedelnd,
Nicht verjagen sie die Fliege.
Sie umschwärmt ihn, sticht und irret
Und verwirrt die ganze Tafel,
Kehret wieder wie des häm'schen
Fliegengottes Abgesandter.
"Nun," so sagen sich die Knaben,
"Sollt' ein Flieglein Gott verhindern?
Sollt ein Gott auch trinken, speisen,
Wie wir andern? Nein, der Eine,
Der die Sonn erschuf, den Mond auch,
Und der Sterne Glut uns wölbte,
Dieser ist's, wir flieh'n!" Die zarten
Leichtbeschuht-beputzten Knaben
Nimmt ein Schäfer auf, verbirgt sie
Und sich selbst in Felsenhöhle.
Schäfershund, er will nicht weichen,
Weggescheucht, den Fuß zerschmettert,
Drängt er sich an seinen Herren,
Und gesellt sich zum Verborgnen,
Zu den Lieblingen des Schlafes.


Und der Fürst, dem sie entflohen,
Liebentrüstet, sinnt auf Strafen,
Weiset ab so Schwert als Feuer:
In die Höhle sie mit Ziegeln
Und mit Kalk sie läßt vermauern.


Aber jene schlafen immer,
Und der Engel, ihr Beschützer,
Sagt vor Gottes Thron berichtend:
"So zur Rechten, so zur Linken
Hab ich immer sie gewendet,
Daß die schönen jungen Glieder
Nicht des Moders Qualm verletze.
Spalten riß ich in die Felsen,
Daß die Sonne, steigend, sinkend,
Junge Wangen frisch erneute:
Und so liegen sie beseligt.
Auch, auf heilen Vorderpfoten,
Schläft das Hündlein süßen Schlummer."


Jahre fliehen, Jahre kommen,
Wachen endlich auf die Knaben,
Und die Mauer, die vermorschte,
Altershalben ist gefallen.
Und Jamblika sagt, der Schöne,
Ausgebildete vor allen,
Als der Schäfer fürchtend zaudert:
"Lauf' ich hin! und hol' euch Speise,
Leben wag' ich und das Goldstück!"
Ephesus, gar manches Jahr schon,
Ehrt die Lehre des Propheten
Jesus. Friede sei dem Guten!



Und er lief, da war der Tore
Wart' und Turn und alles anders.
Doch zum nächsten Bäckerladen.
Wandt er sich nach Brot in Eile.
"Schelm!" so rief der Bäcker, "hast du,
Jüngling, einen Schatz gefunden!
Gib mir, dich verrät das Goldstück,
Mir die Hälfte zum Versöhnen!"

Und sie hadern. Vor den König
Kommt der Handel; auch der König
Will nun teilen wie der Bäcker.

Nun betätigt sich das Wunder
Nach und nach aus hundert Zeichen.
An dem selbsterbauten Palast
Weiß er sich sein Recht zu sichern;
Denn ein Pfeiler, durchgegraben,
Führt zu scharfbenamsten Schätzen.
Gleich versammeln sich Geschlechter,
Ihre Sippschaft zu beweisen,
Und als Ururvater prangend
Steht Jamblika's Jugendfülle.
Wie von Ahnherrn hört er sprechen
Hier von seinem Sohn und Enkeln.
Der Urenkel Schar umgibt ihn,
Als ein Volk von tapfern Männern,
Ihn, den jüngsten, zu verehren.
Und ein Merkmal über's andre
Dringt sich auf, Beweis vollendend;
Sich und den Gefährten hat er
Die Persönlichkeit bestätigt.

Nun zur Höhle kehrt er wieder,
Volk und König ihn geleiten.
Nicht zum König, nicht zum Volke
Kehrt der Auserwählte wieder;
Denn die Sieben, die von lang her,
Achte waren's mit dem Hunde,
Sich von aller Welt gesondert,
Gabriels geheim Vermögen
Hat, gemäß dem Willen Gottes,
Sie dem Paradies geeignet,
Und die Höhle schien vermauert.
Wenn ich alt bin, werde ich nur nörgeln. Das wird lustig!
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Re: Siebenschläfer - Gedichte

Beitragvon widder49 » Sa 13. Jun 2015, 11:16

Die heiligen Siebenschläfer

Flammen lodern, Henkerbeile blitzen scharf in Ephesus:
So begrüßt Trajan die Christen mit des Todes Kaisergruß.
Ob es Mädchen frisch wie Rosen, ob es Greise silberweiß.

Alle Blumen bricht der Henker, mordet Maid und Kind und Greis.
Sieben Knaben, schlanke Ranken, flüchten dem Gebirge zu,
Dort in einer Felsengrotte legen sie sich müd' zur Ruh';

Kreuzend mit des Heilands Zeichen erst die Stirne, Mund und Herz,
Sind sie sanft und süß entschlummert, und entschlummert ist ihr Schmerz.

Lange fließt des Schlummers Odem, Tag um Tag, und Nacht um Nacht,
Vögel kommen, Vögel scheiden, ebenso der Jahre Macht;
Waid ergrünt und Wald wird Purpur, doch die Schläfer kümmert's nicht,
Bis nach langen, langen Jahren Licht in ihre Augen bricht.

Wankend, schwankend noch vom Schlummer reiben sie die Augen aus,
Schauend in den frischen Morgen, in die neue Welt hinaus:
Wo ein Bach, erblühen Blumen, wo einst Wald, ist blühend Feld!
Und die Sieben staunen lange in die neuverjüngte Welt.

Neuverjüngt: die Sieben schauen in der Ferne Ephesus,
Doch von Turm und Zinne blinket, winkt das Kreuzeszeichen Gruß.
"Ist's denn möglich?" ruft ein jeder, reibt sich neu die Augen aus,
Aber immer blinket, winket licht das Kreuz ins Land hinaus.

"Sind wir gestern nicht entschlummert? floß nicht gestern Christenblut?"
Fraget einer nun den andren, und ste jubeln: "Gott macht's gut!
Sei gegrüßt, du heil'ges Zeichen!" und ste ziehn mit raschem Fuß,
Süße Deutung zu vernehmen, betend hin nach Ephesus.

Ephesus, wo einst Johannes lebte, und die Magd des
Herrn, Was geht vor in deinen Hallen? Priester wallen, Stern
an Stern, Und Apostel, Bischofshäupter. Staunend ziehn die Sieben her,
Aber niemand kennt die Sieben, und sie kennen niemand mehr.

Staunend führet man die Sieben vor die Bischofshäupter hin,
Staunend selber schau'n die Sieben, ob nicht träumeschwer ihr Sinn.
Sie erzählen — Wunder Gottes! — dreimal hundert Jahre ja
Hatten sie im Schlaf gelegen und bekehrt war Asia.
Statt Trajan mit seinen Götzen herrschte Christus wunderbar
Wie die Sonne und wie Mondlicht seine Mutter mild und klar;

Heute Waren zum Konzil beisammen Väter über Land und Meer.
"Christ der Herr und seine Mutter Gottesmutter voll und ganz
War auch unsrer Zeiten Glaube!" jubelte der Sieben Kranz,
Und sie legten dann die Häupter selig hin zur letzten Ruh',
Ihre Seelen flogen Christus und der Muttergottes zu.

Franz Alfred Muth
Aus der Sammlung Legenden
Wenn ich alt bin, werde ich nur nörgeln. Das wird lustig!
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